Wer in der Mark reisen will, der muß zunächst Liebe zu „Land und Leuten“ mitbringen, mindestens keine Voreingenommenheit. Er muß den guten Willen haben, das Gute zu finden, anstatt es durch krittliche Vergleiche totzumachen.

Der Reisende in der Mark muß sich ferner mit einer feineren Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Es gibt gröbliche Augen, die gleich einen Gletscher oder Meeressturm verlangen, um befriedigt zu sein. Diese mögen zu Hause bleiben. Es ist mit der märkischen Natur wie mit manchen Frauen. „Auch die häßlichste“ – sagt das Sprichwort – „hat immer noch sieben Schönheiten.“ Ganz so ist es mit dem „Lande zwischen Oder und Elbe“; wenige Punkte sind so arm, daß sie nicht auch ihre sieben Schönheiten hätten. Man muß sie nur zu finden verstehn. Wer das Auge dafür hat, der wag es und reise. … Das Beste aber, dem du begegnen wirst, das werden die Menschen sein, vorausgesetzt, daß du dich darauf verstehst, das rechte Wort für den „gemeinen Mann“ zu finden. (Theodor Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Die Grafschaft Ruppin, Auszug)

Einfach raus – es ist soweit, der Frühling lockt uns ins Havelland. Fontane im Sinn – sieben Schönheiten wollen wir heute finden. 6.45 Uhr starten wir.

Die erste Schönheit

Kurz vor Paretz finden wir schon die erste Schönheit: aufsteigende Nebelwaben an einem Fließ, absolute Ruhe, nur wir selbst können uns stören, doch wir träumen still.

Mystisch im Morgengrauen

Mystisch im Morgengrauen

Die zweite Schönheit

Es geht weiter, kurz hinter Ketzin (Landkreis Havelland) spiegelt sich ein Schwan – reinweiß und majestätisch – in einem ursprünglichen Ziegelteich, die zweite Schönheit auf unserem Tripp durch’s Havelland.

Wenn ein Schwan singt ...

Wenn ein Schwan singt …

Die dritte Schönheit

Es geht weiter, noch sind wir allein unterwegs, wir kommen nach Päwesin und treffen auf unsere dritte Schönheit – ein Storch hat von seinem Nest Besitz genommen, er scheint auch schon sein Frauchen aufgenommen zu haben.

Willkommen im Havelland

Willkommen im Havelland

Die vierte Schönheit

Wir freuen uns, und mit uns freut sich auch ein Mitarbeiter in dem wohl angesagtesten „Ausflugslokal“ im Havelland, wo heute Buddhisten im „Cafe Backwahn“ frische Backwaren (darunter leckerere Torten)  verkaufen. Freundlich werden wir bedient und getröstet, dass sicher auch der Storch in Marquardt demnächst noch „einfliegen“ werde. Wir rüsten uns mit leckerem Kuchen, unserer vierten Schönheit, für die Weiterfahrt.

Backwahn

Der Backshop „Backwahn“ – Kult im Havelland

Backshop und Café Backwahn
Brandenburger Straße 15, 14778 Päwesin
Öffnungszeiten: Mo-Fr 7-18 Uhr, Sa-So 7-16 Uhr
www.tashi-choeling.de

Was oder wen werden wir wohl noch entdecken? Richtung Bagow (linkerhand die Jugendstilkirche liegenlassend) geht es weiter, rechterhand in Richtung Riewend hört die geteerte Straße auf, eine gepflasterte alte Landstraße führt uns weiter. Sie ist aus früher ortstypischen gelben Ziegelsteinen kunstvoll gepflastert. Sie steht unter Denkmalschutz. Um die Jahrhundertwende gab es auch in dieser Gegend um Päwesin große Tonvorkommen und mehrere Ziegelbrennereien. Wie ein gelbtöniges Band zieht sich die Ziegelstraße von Bagow über Riewend welllenförmig durch die Landschaft … hier und dort schon mit Teer ausgebessert.

Die fünfte Schönheit: Ziegelstraße unter Denkmalschutz

Unsere fünfte Schönheit steht unter Denkmalschutz. Auf der Internetseite des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum wurden wir fündig, in der Denkmaldatenbank erfuhren wir, dass die Straße 1906/1907 gebaut wurde.  (www.bldam-brandenburg.de)

Eine alte brandenburgische Landstraße

Eine alte brandenburgische Landstraße

Wir wünschten uns, der Schilderwald an beiden Seiten der alten Landstraße würde ausgetauscht werden. Es reicht ein Schild mit einem Hinweis auf das „Baudenkmal“ und der eingeschränkten Geschwindigkeit auf 30 Kilometer/Stunde für alle Fahrzeuge. Das schützt das Pflaster, informiert über eine brandenburgische „Schönheit“ und stört nicht den Blick in die Landschaft. Allerdings gibt es auch Stimmen, die wollen die Ziegelstraße, wie bereits vor Klein Behnitz, auch auf ihrem Anfangsabschnitt mit schnödem Teerbelag überziehen.Dorfkirche Bagow

Die sechste Schönheit

Wir fahren die rund 3 Kilometer wieder zurück, um über Bagow, Bollmannsruh, Gortz und Butzow den Beetzsee an seinen westlichen Ufern zu umrunden. Denn wir wollen weiter in das Naturschutzgebiet, wo die so seltenen Großtrappen zu finden sind. Zurzeit sind sie auf der Balz, und wir hoffen, das Glück zu haben, sie beobachten zu können. Vier Kilometer vor Nennhausen haben wir unser Ziel erreicht. Die Beobachtungstürme sind ausgeschildert. Und so versuchen wir unser Glück. Es ist still, wir nehmen unsere Ferngläser und suchen die Gegend ab. Und wir haben heute Glück, links und rechts des Weges entdecken wir jeweils eine größere Gruppe von von 15 bis 17 Großtrappen.

Großtrappe auf der Balz

Großtrappe auf der Balz

Unsere sechste Schönheit zeigt sich von ihrer schönsten Seite. Noch nie konnten wir sie beim Fliegen beobachten, heute gelingt es uns, sie sogar im Bild festzuhalten. Augenblick, du bist so schön … Die Großtrappen scheinen sich hier wohl zu fühlen, das „sich um sie Kümmern der Naturschutzfreunde“ scheint sich auszuzahlen. Hoffen wir mal, dass sich den imposanten Vögeln demnächst keine Windräder in den Wind stellen.

Hier erfahrt Ihr Termine und mehr zu Exkursionen über Großtrappen im Havelland.

305 Großtrappen in Deutschland

Aktuell leben in Deutschland 305 Großtrappen (Stand Ende Februar 2019), davon im Havelländischen Luch 110, in den Belziger Landschaftswiesen 88 und im Fiener Bruch 107 Individuen.
Die Ermittlung des Großtrappenbestandes in Deutschland erfolgt bei Winterende vor Beginn der Balzperiode.

Hier informiert der Förderverein Großtrappen detaillierter.

Die siebente Schönheit

Denn wenige Meter weiter ging unsere siebente Schönheit bereits überraschend verloren.

Trauerfall

Ein Trauerfall: brandenburgische Allee

Der voraussichtlich ab September 2019 beginnende Ausbau einer Kreisstraße zwischen Buckow und Garlitz wirft im übertragenen Sinn schon „seine Schatten“ voraus. Von einer ehemals schönen Baumallee zeugen nur noch 88 Baumstümpfe. In der Märkischen Allgemeine vom 17. Februar 2019 wird über einen „einzigartigen Akt der Trauer“ im westlichen Havelland berichtet: Etwa 50 Einwohner aus den Gemeinden haben sich zu einer Trauerfeier für die gefällte komplette Baumallee versammelt. Als Zeichen der Trauer legten die Teilnehmer mit roter Farbe bemalte Baumscheiben, Blumen und Kerzen auf die Stumpen. Neben jedem Baumstumpf steht heute auch ein kleines Holzkreuz. Sowohl das Amt Nennhausen und der Landkreis Havelland, der die Straße erst im Herbst 2018 vom Land übernommen hat, lassen Offenheit, Transparenz und Information über ihr Tun vermissen – so die Trauernden. Es ist schon erstaunlich, wie schnell die doch sonst so behäbig arbeitende Bürokratie Tatsachen geschaffen hat. Hier hätten wir uns vor der Fällaktion der Alleebäume eine Friday-Aktion der jungen Menschen gewünscht. – Und wir hätten mitgemacht. Was sagt überhaupt der Nabu zu dieser Aktion in unmittelbarer Nähe des Großtrappenschutzgebietes? Wahrscheinlich ist auch er überrascht ob dieser Aktion. … Fazit: Nun wird eine Überarbeitung der Ausgleichsplanung von den Trauernden gefordert.

Ein erlebnisreicher Tag geht zu Ende. Still und leise hat er begonnen, uns schöne Eindrücke gebracht und zum Schluss doch nachdenklich und betroffen zurück gelassen. Dieses Bild der mit Kreuzen gekennzeichneten Baumstümpfe, auf denen rot bemalte Baumscheiben liegen, wird uns für immer begleiten. Freude und Schmerz liegen so nah beieinander. Welches „rechte Wort“ würde wohl Fontane für die Mitarbeiter in der Kreisverwaltung finden, die diesen Frevel an der Natur begangen haben?

Nützliche Links

Hier ein Beitrag über Grosstrappen in Brandenburg und europaweit (Tagung 2018)

Hier geht es zum Beobachtungsturm in Buckow