Ein majestätischer Seeadler kreist, Enten schauen dem knatternden Schiffskonvoi hinterher. Der Schollener See, wenige Kilometer von Havelberg  (Sachsen-Anhalt) entfernt, birgt einen Schatz: den Heilschlamm Pelose, der nur hier zu finden ist. Karl-Heinz Repp gehört seit mehr als zehn Jahren zu den „Pelosefischern“. Er ist einer von sechs Frauen und Männern, die im Nordosten von Sachsen-Anhalt den gesunden Schlamm fördern, verpacken und auf die Reise zu Hunderten Rehakliniken und Physiotherapiepraxen im In- und Ausland schicken. Als Kompresse, Hand- oder Fußpackung oder lose in Mengen von zwei bis 20 Kilo.

Pelose lindert Schmerz

Seit den zwanziger Jahren weiß man um die Heilwirkung der Pelose aus dem von Ortsansässigen „Wundersee“ genannten Gewässer. „Von weit her kamen die Menschen, um mit dem Schlamm ihre Krankheiten kurieren zu lassen“, erzählt Repp. Dem speziellen Schlamm wird heilende Wirkung bei rund 100 Erkrankungen des Bewegungsapparats wie Rheuma, Arthrose, Gicht, Osteoporose, Nervenentzündungen sowie Sportverletzungen zugeschrieben. Anwendung findet die gallertartige Masse auch in Dermatologie, Urologie und Gynäkologie.

„Das Wärme- und Kältespeichervermögen der Pelose ist sehr hoch“, erläutert Repp. „Manchmal stehen Radfahrer, die den durch unser Dorf führenden Havelradweg befahren, vor der Tür der Firma und fragen nach einer Kompresse zur Behandlung ihrer Muskelschmerzen.“ Eine Pelose-Packung wirke durchblutungsfördernd, muskelentspannend und schmerzlindernd. Inhaltsstoffe wie organischer Schwefel, Eisensalze sowie Verbindungen aus Kalium, Silizium und Natrium würden die Pelose auch zur idealen Hautpflege machen. Benannt wurde sie übrigens nach dem griechischen Wort für Schlamm – Pelos.

In der Mitte des Sees bringt eine archaisch anmutende lärmende Maschinerie die Pelose an die Oberfläche. Bis in die 80er-Jahre mussten die Männer die sogenannten Steckkästen noch mit langen Handstangen auf den Grund stoßen und mit der Handwinde nach oben ziehen. Das war Knochenarbeit. Die heutige Technik ist zwar moderner, angetrieben von einem Elektromotor, wirkt aber trotzdem wie ein Relikt aus Uropas Tagen. Mit lautem Rasseln gleiten die unten offenen Förderkästen in den See, durchdringen dabei eine zwei Meter dicke Faulschlammschicht und kommen in sechs bis acht Meter Tiefe zum Stillstand. Auf Knopfdruck schließen die blechernen Bodenklappen automatisch.

Nach etwa einer Minute tauchen die Behälter, gefüllt mit zweihundert Kilo grau-blauem Pelose-Schlamm wieder auf. Die geruchsneutrale Masse von der Konsistenz erdfeuchten Zements besteht aus Resten von abgestorbenen Kieselalgen, Pflanzen, Muscheln, Schnecken und auch anorganischen Bestandteilen. Von mikrofeiner Struktur, cremeartiger Plastizität oder sammetartiger Weichheit des Binnenseeschlamms vom Typ Gyttja ist im Firmenprospekt die Rede.

Pelose-Schollene Sachsen-Anhalt Altmark

Blick über den „Silbersee“ von Schollene

Pelose-Vorrat reicht noch mehrere Generationen

Über ein Förderband klatscht die Pampe in Stahlkisten auf dem kleinen Schubboot neben dem Förderfloß. „Je nach Bedarf fahren wir ein oder mehrmals in der Woche raus. Im Winter leben wir von den Vorräten in der Halle“, sagt Repp. Dieses Jahr war der See lange zugefroren. Trotzdem musste kein Kunde auf seine Pelose-Bestellung warten. Das handgeschmiedete Förderfloß, ständig von Möwen umschwirrt, ist an langen Stangen vertäut, die anzeigen, aus welchem Teil des Sees bereits Pelose gefördert wurde. Der Vorrat reicht nach Auskunft von Geologen für mehrere Generationen. „Und irgendwann dringt man mit einer neuen Fördereinrichtung in größere Tiefen vor. Da liegen noch weitere ungehobene Schätze“, ist sich Produktionsleiter Repp sicher. Er steuert das Boot wieder Richtung Hafen, gefolgt vom Konvoi mit den voll beladenen Stahlbehältern. Nur die Boote der Firma Pelose dürfen auf den mitten im Naturschutzgebiet befindlichen See fahren.

Pelose-Schollene Sachsen-Anhalt

Das Floß mit Pelose auf dem Weg in den Hafen Foto: Weirauch

Wissenschaftlich erforscht

1931 war die Heilkraft des Schlammes Thema einer wissenschaftlichen Tagung in Bad Elster. Der Geologe Prof. Robert Potonié definierte damals Pelose als den „Idealtypus eines deutschen Naturheilschlammes“. Vom Schering-Konzern wurde die Pelose wenig später auf die medizinische Wirkung hin untersucht. Die Wissenschaftler bestätigten den Wert des Schlamms. Tourismus-Prospekte werben mit der Pelose als „einzigartiger Besonderheit unter den Binnenseen Mitteleuropas“. Oft hat Repp Ärzte und angehende Physiotherapeuten mit auf den See genommen. An manchen Stellen steht das Wasser nur einen halben Meter hoch. „Und darunter liegt erst einmal Faulschlamm, der, wird er aufgewirbelt, Methangase freisetzt. Dann riecht es faulig“, so Repp. Davon merkt der Patient, der mit der Pelose im Badewasser oder als wärmende bzw. kühlende Kompresse in Berührung kommt, aber nichts mehr.

Kompressen können bis zu zehn Mal angewendet werden

Für eine Packung wird die Pelose auf bis zu 55 Grad Celsius erhitzt und dann großflächig auf die zu behandelnden Körperzonen aufgetragen. Angeboten werden auch Kompressen, die man bis zu zehnmal selbst anwenden kann. Möglich ist auch ein Vollbad.

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