Seit fünf Jahren hat Potsdam wieder eine Humboldtstraße. Wer zum alten Markt und dem Palast Barberini will, der kommt unweigerlich durch die Humboldtstraße. Die Humboldtstraße existierte bis zum Abriss des Potsdamer stadtschlosss schon einmal, verschwand dann und erinnert heute wieder an die berühmten Brüder. Wilhelm von Humboldt wurde in Potsdam geboren, Alexander in Berlin. In diesem Jahr wird der 250. Geburtstag Alexander von Humboldts weltweit begangen. Potsdam hält sich mit einer Ehrung derzeit noch zurück, obwohl Alexander von Humboldt Ehrenbürger der Stadt Potsdam ist.

An Potsdam scheiden sich die Geister. Die einen sehen hier einen Ort voller Kunst, Kultur und Wissen. Die anderen sehen einen Hort des Militarismus und des Untertanengeistes. Für jede dieser Ansichten gibt es in und um Potsdam steinerne Belege. Wer also hat recht? Vielleicht beide! Und da wird es spannend.

Ich empfehle dazu das Buch von Joachim Nölte, Potsdam. Wie es wurde, was es ist. 2. Auflage als durchgesehene und erweiterte Taschenbuchausgabe. terra press GmbH, Berlin 2019. ISBN 978-3-942917-19-1. www.terra-press.de

An den 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt erinnert 2019 Niemand in der Stadt Potsdam. Von Humboldt war Ehrenbürger. Machen wir uns also bei Nölte schlau.

Geistesgrößen in der Stadt: Humbolt u.a.

„Die 1830er und 1840er Jahre brachten für Potsdam einen deutlichen Aufschwung des Geisteslebens. In jenen Jahren war auch Alexander von Humboldt häufig in Potsdam zu Gast. Nach ihm ist eine Straße, die an der Südseite des Landtagsgebäudes auf den Alten Markt zuläuft, benannt. Der Mann, der auf mehreren Expeditionen fast das gesamte südliche und mittlere Amerika bereist und anschließend rund zwanzig Jahre lang vor allem in Paris die Fülle seiner Entdeckungen aufbereitet hatte, bekleidete seit 1827 vor allem noch eine Aufgabe: die königlichen Familien von Friedrich Wilhelm III. und dessen Nachfolger allabendlich zu unterhalten. Humboldt, der liberale Demokrat, der über seine Reisen ein 30-bändiges Werk schrieb, der in den USA persönlicher Gast von Präsident Thomas Jefferson war und in enger Verbindung zu Simon Bolivar stand, dem Befreier Lateinamerikas von der spanischen Krone: Humboldt, der als weltweit bekannteste Preuße galt, fand sich nun in die Routine einer reaktionären und wenig geistvollen Hofgesellschaft eingebunden. Er wurde zum „Wirklichen Geheimen Rat“ ernannt und war fortan mit „Exzellenz“ anzureden. Glücklich wurde er mit dieser Aufgabe nicht.“ So vermutet Joachim Nölte.

Gespräche in Schlössern Charlottenhof und Sanssouci

Die Lage besserte sich kaum, als Humboldt an den Hof von Friedrich Wilhelm IV. eingeladen war. Man traf sich auf Schloss Sanssouci, aber auch im Schloss Charlottenhof. Ihm standen Räume in den Neuen Kammern neben dem Schloss Sanssouci und in den Römischen Bädern zur Verfügung. In den Wintermonaten konnte er gut geheizte Räume im Potsdamer Stadtschloss nutzen. Nach dem Aufenthalt in den Tropen war ihm eine warme Umgebung wichtig. Unterhaltsam war Humboldt für jeden, der zuhören konnte. Goethe schrieb nach einer Begegnung mit ihm: „Man könnte in 8 Tagen nicht aus Büchern herauslesen, was er in einer Stunde vorträgt.“ Vielleicht als Erholung von den als öde empfundenen Abenden im Kreis von desinteressierten und ignoranten Höflingen hielt Humboldt in der Berliner Singakademie öffentliche, kostenlos zugängliche Vorträge. Hunderte Zuhörer strömten zu diesen Ereignissen. Er wurde so zum Pionier bei der populären Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse.

Hauptwerk „Kosmos“

Seit 1834 arbeitete Humboldt an seinem Hauptwerk, das er „Kosmos“ nannte. Seine zahlreichen Verpflichtungen – dazu gehörte auch die Beantwortung einer äußerst umfangreichen Korrespondenz – ließen ihm dafür nur die Standen zwischen 11 Uhr abends und 3 Uhr morgens Zeit. Mit eigenen Worten charakterisierte er dieses Werk so: Ich habe den tollen Einfall, die ganze materielle Welt, alles, was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Erdenlebens, … alles in einem Werke darzustellen, und in einem Werke, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemüt ergötzt.“ Und er stellte es nicht nur in einem Werk dar, sondern deckte auch die unendliche Fülle an inneren Zusammenhängen zwischen ihnen auf. Er wollte – in eigenen Worten – „die Natur als ein durch innere Kräfte bewegtes und belebtes Ganzes auffassen.“ Er stellte damit die Naturwissenschaften auf eine höhere Stufe.

Humboldts Bedeutung für die Naturwissenschaft

Experten zählen zu den Wissenschaftsbereichen, zu denen Humboldt Wesentliches beigetragen hat. Altertumswissenschaft, Botanik, Geologie, Geografie, Mathematik, Philologie, Astronomie und Zoologie. Dadurch wirkte er stark auf die nachfolgende Wissenschaftsgeneration, zu der unter anderen Charles Darwin gehörte. Seine Kollegen benannten 900 Pflanzen, Tiere, Berge, Flüsse und Gletscher nach Alexander von Humboldt. Nach ihm benannt sind das Mare Humboldtianum auf dem Mond und der Humboldtstrom, eine der wichtigsten Meeresströmungen auf der Erde.

Potsdams Geschichte in 10 Kapiteln

Joachim Nölte, Potsdam. Wie es wurde, was es ist. 2. Auflage als durchgesehene und erweiterte Taschenbuchausgabe. terra press GmbH, Berlin 2019. ISBN 978-3-942917-19-1. www.terra-press.de

Dieses Taschenbuch basiert auf der reich illustrierten Ausgabe von „Potsdam. Wie es wurde, was es ist, erschienen 2018. Der Inhalt wurde erweitert und aktualisiert.

Ebenfalls empfehlenswert: Link zum Hörbuch „Potsdamer ABC“, das von Rainer Gerlach gelesen wird:
www.potsdam-geschichte.de/potsdamer-abc
Das alte, das neue, das bekannte, das unbekannte, das normale und das seltsame Potsdam. 27 Stichworte zum Nachlesen in diesem Buch oder Mithören auf der Internetseite. Ich habe wieder viel Neues hinzugelernt.

Hier geht es zu einigen zentralen Veranstaltungen zum Humboldt-Jahr 2019.