Theodor Fontane und Zerben. Der Ort Zerben gehörte  einst zur preußischen Provinz Sachsen, heute eingemeindet in die Gemeinde Elbe-Parey im Landkreis Jerichower Land in Sachsen-Anhalt. Eine halbe Fahrstunde von Tangermünde entfernt. Hat der Dichter diesen Ort nordöstlich von Magdeburg gelegen auf seinen Wanderungen je besucht? Einen Beleg dafür gibt es nicht. Wer war Effi Briest ?

Spurensuche in Zerben

Dennoch suchen wir an einem heißen Tag in diesem Sommer 2018 den kleinen Ort auf, in dem wir auf Fontane-Spuren wandeln wollen. Zunächst jedoch kommen uns angesichts der Umleitungen, wir sind mit dem Auto unterwegs, und damit immer schlechter werdenden Straßen und Wege nur Worte aus einem seiner bis heute gelesenen Gesellschaftsromane in den Sinn: „Das ist ein (zu) weites Feld.“ Man könnte diese Worte durchaus auf die Landschaft beziehen, durch die unsere Reise geht: ringsum durch sicher sonst grüne Weiden, die durch die starke Hitze derzeit ausgedörrt vor uns liegen, weite baumlose Ebenen, vereinzelte Gehöfte, zum Teil zerfallen, von der Havel im Osten und der Elbe im Westen eingerahmt.

Junge Leute würden sagen: “Jwd – janz weit draußen.“ Dennoch wollen wir unsere Spurensuche nicht aufgeben, Trinkwasser haben wir dabei, um unseren Durst zu löschen, denn an Gaststätten kommen wir  nicht vorbei. Später erfuhren wir von Nico Hoghe von der Gemeindeverwaltung Elbe-Parey, dass wir im nahen Erlebnisdorf  Parey hätten essen und trinken können.

Endlich erreichen wir Zerben – und gleich am Eingang des Dorfes werden wir auf die Person hingewiesen, deren Schicksal Theodor Fontane literarisch in seinem Roman „Effi Briest“ verarbeitete. Ein Trafohäuschen ist auf der einen Seite mit dem Bildnis einer jungen Frau bemalt, dazu gibt es den Hinweis auf „Effi Briest“. Eine weitere Seite des Trafohäuschens stellt eine Familienszene aus dem 19. Jahrhundert dar und verweist zugleich auf die Familie, die hier im Ort auf ihrem Gut mehr oder weniger gut leben konnte . Je nach der Wetterlage machten Überschwemmungen und Hitzeperioden ihnen das Leben schwer.

Der bemalte Trafo nimmt auf Fontanes Effi Briest Bezug, Foto: Weirauch

Der bemalte Trafo nimmt auf Fontanes Effi Briest Bezug, Foto: Weirauch

Zerben Effi Briest Zerben Effi Briest

Etwa 20 Meter weiter weist eine Hinweistafel auf das „Schloss“ hin, das rechterhand in wenigen Schritten erreicht ist, vorbei geht es im Schatten der Bäume des ehemaligen Gutsparks auf die Reste des ehemaligen stolzen Herrensitzes derer von Plothos zu. 1948 wurden Teile des Schlosses auf Befehl der sowjetischen Militärverwaltung abgerissen. Nachdem 1996 die Gemeinde Zerben Eigentümer geworden war, wurden die noch erhaltenen Seitenflügel im Jahr  1998 unter Denkmalschutz  gestellt und schrittweise restauriert. Bis etwa 2008 kümmerte sich ein Effi-Briest-Verein um das Schloss.

Schloss von außen zu besichtigen

Heute stehen zwei Gebäudeteile losgelöst voneinander gut restauriert in der Landschaft, sind für Touristen jedoch nicht zugänglich. Auch kein Hinweis, wo man sich eventuell melden kann, um doch noch einen Blick in die Räume werfen zu können, wo am 26. Oktober 1853 die Baronesse Elisabeth von Plotho das Licht der Welt erblickte und zusammen mit ihren vier Geschwistern behütet aufwuchs, gibt es nicht.  Wir umstreifen die Gebäude, treffen auf einen Fahrradfahrer, der uns noch auf die Schaukel im   gegenüberliegenden Park aufmerksam macht.

Die nachgebaute Schaukel dem Gutshaus gegenüber, Foto: Weirauch

Die nachgebaute Schaukel dem Gutshaus gegenüber

Zerben Effi Briest Zerben Effi Briest Zerben Effi Briest

Uns interessiert zunächst ein junger Kastanienbaum, dessen Wurzeln fast eingezwängt werden durch die in Stein gemeißelten Worte von der Romanfigur Effi Briest:

ICH BIN FÜR GLEICH UND GLEICH
UND NATÜRLICH AUCH FÜR
ZÄRTLICHKEIT UND LIEBE UND
WENN ES ZÄRTLICHKEIT UND
LIEBE NICHT SEIN KÖNNEN, […], DANN BIN
ICH FÜR REICHTUM UND EIN VOR-
NEHMES HAUS […] LIEBE KOMMT
ZUERST, ABER GLEICH HINTERHER
KOMMT GLANZ UND EHRE.
Aus dem Roman Effi Briest (Th. Fontane 1895)

Von dem Kastanienbaum aus hat man heute noch einen weiten Blick ins Land, linkerhand zieht uns der Kirchturm der kleinen Dorfkirche an, in der im März 1869 Elisabeth von Plotho mit anderen Dorfkindern konfirmiert wurde.

 

So sah das Gutshaus Zerben vor 1945 aus, Dank an Lothar Specht aus Parey.

Das Wappen des alten märkischen Adelsgeschlechts derer von Plotho über dem Portal der Kirche zieht Besucher an, doch auch die Kirche bleibt verschlossen. In einem älteren Zeitungsbeitrag hatten wir gelesen, dass es auf dem Friedhof noch eine Familiengrabstätte der v. Plothos geben soll.

In der Dorfkirche hat Elisabeth geheiratet, Foto: Weirauch

In der Dorfkirche hat Elisabeth geheiratet, Foto: Weirauch

Nur, wo war der Friedhof? Wir sind mehrmals durch das Dorf gegangen, einen Hinweis auf den Friedhof gibt es nicht. Leider trafen wir auch den Fahrradfahrer nicht wieder, der uns eventuell weiterhelfen könnte. Das Dorf war wie ausgestorben. Wir klingelten an einer gut restaurierten Villa, die Tür ging auf, aber „man sei hier nur zu Besuch, könne auch nicht weiterhelfen. Vielleicht der Nachbar.“ Also eine Haustür weiter. Überwachungskameras ließen Böses ahnen. Hier würde wohl niemand Touristen öffnen, um Fragen zu beantworten. So war es dann auch, trotz mehrmaligen Klingelns hatten wir keinen Erfolg. Fontane – sollte er jäh hier gewesen sein – wäre wahrscheinlich verzweifelt. Aber er kannte ja seine Märker …

Die Hauptstraße des Ortes heißt Karl-Marx-Straße, Foto: Weirauch

Die Hauptstraße des Ortes heißt Karl-Marx-Straße, Foto: Weirauch

Wir waren dennoch zufrieden. Hatten wir doch einige „Originalschauplätze“ des literarischen Vorbildes der „Effi Briest“ gesehen und konnten uns durchaus vorstellen, dass die Elisabeth von Plotho durch eine Hochzeit mit dem „Neuadel“ zwar nicht ganz standesgemäß und ebenbürtig, aber durch ansehnliches Kapital der Enge des Dorfes entfliehen konnte. Die Eltern ihres Bräutigams Armand Leon von Ardenne hatten ihr Kapital mit Transaktionen in Eisenbahnpapieren verdient. Gegen den Willen des Bräutigamvaters findet die Verlobung der 17-jährigen Elisabeth und des fünf Jahre älteren Rathenower Zietenhusaren Armand 1871 auf dem von den Plothos unweit entfernten Landguts des Onkels von Bredow in Stechow statt. Am Neujahrstag 1873 darf geheiratet werden: in Zerben. Elisabeth hat eine gute Partie, wenn auch nicht ganz standesgemäß, gemacht, und die Kurse der Eisenbahnaktien sind gestiegen, so dass auch die Familie ihres Verlobten zufrieden war. Doch Jugend schützt vor Torheit nicht, und Geld allein macht nicht glücklich. Und so führt die arrangierte Hochzeit zu keinem guten Ende. Von ihrem Leben, ihrer Liebschaft und dem verhängnisvollen Duell erfuhr Fontane 1889 im Berliner Salon der Verlegerfrau Emma Lessing. Der Roman „Effi Briest“ wurde zum Meisterwerk, von Lesern und Kritikern gleichermaßen gelobt. „Ja, Effi! Alle Leute sympathisieren mit ihr …“, staunte Fontane über all die Briefe zu seinem Buch.

Anders unsere Suche nach dem Dorffriedhof. Ein junges Mädchen half uns weiter und beschrieb uns den Weg zum Friedhof. Am Dorfausgang, etwas abgelegen, fanden wir ihn dann endlich. Die Familiengrabstätte liegt weit ab vom Herrenhaus und der Kirche hinter einer kleinen Buchsbaumhecke, doch der Grabsteine für Elisabeths Vater Carl Albrecht Felix von Plotho und ihrer Mutter Franziska Maria geb. Welling sind noch vorhanden.

Zerben Effi Briest

Familienfriedhof derer von Plotho

Einen Hinweis auf den Grabstein seiner Tochter auf dem Stahnsdorfer Südwest-Kirchhof bei Potsdam suchen wir vergeblich.
Ob das junge Mädchen, das uns den Weg zum Dorffriedhof beschrieb, über das Schicksal der einstigen Bewohnerin des Gutshauses etwas weiß?

Unser Wunsch: Im Fontane-Jahr sollten Besucher die Möglichkeit erhalten, im Gutshaus von Zerben über das Schicksal der Elisatbeth von Ardenne geb. von Plotho Näheres erfahren können und nicht nur vor verschlossenen Türen stehen müssen.
Später, wieder daheim, erfuhren wir, dass nach Anmeldung bei der Gemeindeverwaltung Gruppen durch das Schloss geführt werden. Die Anmeldung ist unbedingt erforderlich, spontane Gäste wie wir stehen sonst vor verschlossenen Türen.

Heute ist kaum noch bekannt, dass der Romanstoff auf tatsächlichen Vorgängen beruht, die sich in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts in Berlin und Düsseldorf zugetragen haben. Das Vorbild für die Romanfigur Effi Briest war Elisabeth von Ardenne, geborene Freiin von Plotho. Ihr widerfuhr jenes Schicksal, das Fontane seinem Roman zugrunde legte. Die am 26. Oktober 1853 in Zerben bei Parey an der Elbe geborene Elisabeth heiratete 1873 den Offizier der Rathenower Zietenhusaren Armand Leon von Ardenne (1848-1919).

In Düsseldorf, dorthin war von Ardenne versetzt, lernte sie den Amtsrichter Emil Hartwich (1843-1886) kennen und löste diese Beziehung auch nicht nach der Versetzung ihres Mannes in das Berliner Kriegsministerium im Jahr 1884. Armand von Ardenne ahnte von der Beziehung seiner Frau zu Hartwich, er wollte Gewissheit haben. Mittels eines Nachschlüssels öffnete er ihre Briefkassette, fand die sie belastenden Briefe und forderte Hartwich zum Duell, der kurz darauf den Verletzungen erlag. Außerdem reichte Armand von Ardenne – ganz den gesellschaftlichen Normen des 19. Jahrhunderts folgend – die Scheidung ein. Jene Briefe aus den Jahren 1883 bis 1885, die die engen Beziehungen zwischen Elisabeth von Ardenne Emil Hartwich offenbarten, und zu dem 1886 stattfindenden Duell führten, befinden sich im Besitz ihres Enkels, Professor Manfred von Ardenne, dem Sohn ihres Sohnes Egmont.

Kurz nach ihrem 90. Geburtstag im Jahr 1943 übersandte die Großmutter die Briefe ihrem Enkel mit den Worten: „Du bist der einzige, der mich nach ihm (Hartwich)  gefragt hat. So sollst du auch das Wenige bekommen, das ein hartes Schicksal mir von dem strahlenden Menschen gelassen hat. Daß Dir die Freude wurde, durch einen Verwandten in ein gerechtes gutes Licht den Mann gerückt zu sehen, der unendliches Leid, aber auch unendliches Glück in mein Leben gebracht hat, war mir ein Geschenk.“ In seiner Autobiographie „Sechzig Jahre für Forschung und Fortschritt“ schreibt Manfred von Ardenne (1907-1997, Naturwissenschaftler, Forscher vor allem in der angewandten Physik) über seine Großmutter: „Ihr Lebensweg, ihre tiefe Menschlichkeit und Lebensweisheit machten aus meiner Großmutter eine der verehrungswürdigen Frauengestalten, die späteren Generationen in schweren und leichten Tagen unendlich viel geben können.“

99-jährig starb Elisabeth von Ardenne 1952 in Lindau am Bodensee. Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem Stahnsdorfer Südwest-Kirchhof.

hre letzte Ruhestätte fand Elisabeth von Ardenne (Effi Briest) auf dem Stahnsdorfer Südwest-Kirchhof, Foto: K.Weirauch

Grabstein der Elisabeth von Ardenne (Effi Briest) auf dem Stahnsdorfer Südwest-Kirchhof, Foto: K. Weirauch

Informationen zu Zerben und Effi Briest

Besichtigung inkl. Führung von Schloss Zerben

  • Anmelden bei der Gemeindeverwaltung Elbe – Parey
  • Tel.:  039349-93466 (Herr Nico Hoghe)
  • E-Mail: poststelle@elbe-parey.de

An der Evangelischen Akademie Bad Boll hielt Albrecht Esche 2006 einen Vortrag zur Realisation von Elisabeth von Ardenne und Effi Briest, lesenswert.

Zweifel an der Geschichte, dass Effi Briest die Elisabeth von Ardenne ist, hegt folgende sehr informative Seite der Uni Bielefeld.

Zerben ist eine Station der Frauenorte Sachsen – Anhalt

  • Buchtipps:
    Horst Budjuhn: Fontane nannte sie Effi Briest, 1991 (nur antiquarisch)
  • Manfred Franke: Leben und Roman der Elisabeth von Ardenne Fontanes „Effi Briest“, 1994 (Droste Verlag)

Wie kommt man nach Zerben?
Es gibt keinen Durchgangsverkehr im Ort, die Landesstraße 54 führt etwa zwei Kilometer östlich am Ort vorbei und wird nur über eine Stichstraße erreicht. Parey, der Hauptort der Einheitsgemeinde ist vier Kilometer von Zerben entfernt. Bis zur Kreisstadt Burg sind es rund 20 Kilometer. Von Genthin aus sind es ebenfalls runde 20 Kilometer. Bis Berlin 140 Kilometer (über A 2 und dann Landstraße über Burg).

Zuganbindung: Zum Nachbarort Güsen mit Bahnanschluss an der Bahnstrecke Berlin–Magdeburg gibt es eine Brückenverbindung über den Kanal.

Zerben liegt am Elberadweg,
hier geht es zur Homepage des Elberadweges. (derzeit gibt es eine Radumfahrung, voraussichtlich bis Ende 2018).